Satinangoras sind eine junge Rasse, die von der Kanadierin Leopoldina Meyer (1908 – 1996) herausgezüchtet wurde. Mehrmals fielen nämlich bei einer Paarung normalhaariger Satinkaninchen einzelne langhaarige Jungtiere. Die begeisterte Angora-Lady erkannte das Potential dieser Tiere für ihr Woll-Hobby. Sie kreuzte diese ersten Langhaarsatins mit französischen Angoras. Innert weniger Jahre schaffte sie es, gute Angorakaninchen mit Satinhaar herauszuzüchten.
1987 wurden die neuen Satinangoras in den USA als Rasse anerkannt. Obschon sie damals vor allem in Bezug auf Faserlänge noch verbesserungsfähig war, wurde sie bereits „Königin der Angoras“ genannt.
Aus den USA nach Europa
Im Frühling 1998 importierten wir die ersten Satinangoras aus den USA nach Europa. Ihre Wolle war so wunderbar, dass wir ganz auf diese Rasse umgestiegen sind. Von uns gingen Satinangoras nach Schweden, Dänemark, Norwegen, Deutschland, England, Italien, Frankreich, Österreich, Griechenland. Anerkannt ist die Rasse im Nordischen Standard, also in Schweden, Dänemark und Norwegen.
Angorawolle mit kühlem Griff
Das Langhaar der Satinangoras weist einzigartige Eigenschaften auf:
Es besitzt diesen spiegelnden Glanz und intensivere Farben, ist auch viel weicher und fühlt sich, im Gegensatz zu normalem Angora, kühl an. Die Feinheit und der Glanz machen diese Faser zu etwas Speziellem.
Satinangora gehört zu den ganz edlen Fasern und kann durchaus mit Kaschmir mithalten.
Der Satinfaktor geht auf eine einfache Mutation zurück und wird rezessiv vererbt. Der Glanz hängt auch von der Farbe ab, er kann durch Selektion optimiert werden.
In der Feinstruktur liegen Glanz und Weichheit
Vergleicht man Satinhaare unter dem Mikroskop mit normalen Kaninchenhaaren, findet man Erstaunliches:
Die Satinhaare haben zwar ungefähr den gleichen Durchmesser wie normale Angorahaare, sind aber weicher.
Ihr Bau weicht von der Norm ab: Satinhaare haben keine Kämmerchen im Innern! Sie werden zwar bei Haarwachstum gebildet, aber die Wände sind dünner, so dass die Kämmerchen kollabieren, sobald das Haar aus dem Haar-Follikel herausstösst. Ohne die versteifenden Kammerwände ist das Satinhaar nun biegsamer, geschmeidiger als ein normales Haar, was bei gleichem Durchmesser als feiner empfunden wird.
Der spezielle Haaraufbau erklärt den kühleren Griff von Satinhaar: Ohne die luftgefüllten Kämmerchen fällt dieser Teil der Isolationswirkung weg, das Haar fühlt sich somit kühler an. Durch das Fehlen der Kämmerchen verändert sich zudem die Lichtbrechung. Zusammen mit der feineren Kutikula und der durchsichtigen Rindenschicht entsteht so der spiegelnder Glanz des Satinhaars, den eine amerikanische Satinangorazüchterin einmal so beschrieb: „Satinangora sieht aus wie gesponnenes Glas.“
Satinangora Babys glänzen wie Spiegel!
Weitere Angora-Rassen
In der Schweiz wird vor allem der französiche Typ des Angorakaninchens gezüchtet. Es hat eine grannenreiche Wolle, die sich verstrickt zu einem fast fellartigen Flausch aufbauscht. Satinangora Wolle hat einen feineren Flausch. So ergänzen sich die verschiedenen Angorarassen und können passend zur Verwendung eingesetzt werden.
Nordische Angorakaninchen
2020 kam der norwegische Angora „Sofus“ zu uns. Züchterin ist Brita Blomqvist von Norefjell Angora. Sofus hat die wunderschöne Farbe eisengrau, die wir bisher nicht hatten. Er hat eine fast unglaubliche Wolldichte und trotzdem ein pflegeleichtes, filzarmes Fell.
Eine Paarung mit der Satinangora Häsin Anuhea ergab fünf Jungtiere. Davon blieben vier bei uns: ein wildblauer Rammler, die wildblaue Gaia, die blaue Fluffy und die eisengraue Aurelia. Die Haarstruktur der Jungtiere ist erstaunlich und wie bei Sofus: viel Wolle, keinen Filz. Allerdings haben die Tiere keinen Haarwechsel, sondern müssen geschoren werden.
Auf der Roten Liste
Leider sind die meisten Angorakaninchenrassen vom Aussterben bedroht. Kaninchen zu halten und zu züchten ist ein aufwendiges Hobby. Tiere müssen täglich betreut werden, auch bei schlechtem Wetter. Es finden sich immer weniger Leute, die dazu bereit sind.
Mit dem Kauf von Schweizer oder europäischer Angorawolle unterstützen Sie kleine Hobbyzuchten, in denen das Tier keine Nummer, sondern eine Persönlichkeit ist. Und in denen die Wolle tiergerecht geerntet wird.
Möchten Sie selber Angoras halten? Hier ein paar Überlegungen, die man vor dem Kauf machen sollte.
Pflege eines Angorakaninchens
Unterbringung
Da ein Angorakaninchen in voller Wolle ein beträchtliches Volumen aufweist, muss der Stall genügend gross sein. Ideal ist eine Stallfläche von ca. 1 m2. Eine Stallhöhe von ca. 80 cm gibt viel Licht und gute Luft. Sie erleichtert den Luftaustausch und hilft im Sommer gegen Überhitzung.
Eine Kotschale mit saugfähiger Einstreu (z.B. Hanfstreu) und darüber reichlich Stroh helfen das Tier und damit die Wolle sauberzuhalten – allerdings nur wenn regelmässig jede Woche gemistet wird.
Ein erhöht angebrachtes Brett wird gern als Aussichts- und Ruhefläche abgenommen. Eine kleine Boxe (ca. 30 x 40 cm Grundfläche) dient als Rückzug, den die Tiere bei Störungen aufsuchen.
Die Schweizer Tierschutzverordnung schreibt vor, dass einem Kaninchen mittlerer Grösse mindestens 7200 cm2 Stallfläche zur Verfügung stehen muss (grösser ist immer besser!). Ein Rückzug und Nagematerial sind ebenfalls vorgeschrieben. Mit einer erhöhten Fläche aus unbehandeltem Weichholz strukturiert man den Stall, schafft einen Rückzug unter dem Liegebrett und schafft mit dem unbehandelten Weichholz gleich noch eine Nagemöglichkeit.
Der Stall sollte nicht zu dunkel stehen, vorgeschrieben sind mind. 15 Lux. Kaninchen lieben es an kühleren Tagen an der Sonne zu liegen. Hitze jedoch ertragen sie schlecht. Der Stall sollte also besser an einem kühlen Ort aufgestellt werden. Schnell wachsende Sträucher wie Reben, Holunder, Haselstrauch geben angenehmen Schatten und machen die Hitze erträglicher. Eine Fliese im Stall schafft zudem ein kühles Liegeplätzchen an heissen Tagen.
Futter
Möglichst abwechslungsreich: Wiesenschnitt (zuerst nur in kleinen Mengen füttern bis sich das Verdauungssystem daran gewöhnt hat!), Zweige, Obst, Gemüse, Rüstabfälle (nicht faulig oder angewelkt!), Garten(un)kräuter (Löwenzahn, Vogelmiere, Spitzwegerich, Zaunwinde sind begehrt), dazu immer gutes Heu.
Angorakaninchen sind Leistungstiere. Sie müssen deshalb zum Grünzeug Kraftfutter bekommen, damit sie keinen Mangel erleiden. Wir füttern Fors Kombi Label gemischt mit etwas Nösenberger Müsli. Selbstverständlich steht den Tieren immer frisches Wasser zur Verfügung. Im Winter kann man warmes Wasser reichen, damit es nicht so schnell einfriert.
Bei gutem Wetter sind die Angoras sehr gern im Freilaufgehege, das unbedingt genügend Schatten (auch bei wandernder Sonne!) aufweisen muss.
Damit unsere Kaninchen auch bei schlechtem Wetter herumrasen können, haben wir zusätzlich einen gedeckten Allwetterauslauf.
Angorakaninchen zur textilen Selbstversorgung
Angorakaninchen sind ideale Haustiere für Menschen, die textiles Handwerk lieben, benötigen die sanften und ruhigen Tiere doch weit weniger Platz und Futter als Schafe. Sie liefern jährlich kostbare Edelfaser in einer Menge, die für einen Pullover reicht – und erst noch Mist für den Garten oder die Kübelpflanzen. Kaninchen putzen sich wie Katzen, so können die Fasern gleich versponnen werden; aufwendiges Waschen entfällt.
Angora kann von ganz fein bis grob versponnen werden, Mischen mit edler Seide oder rustikal mit Schafwolle erweitert die Palette unterschiedlicher Garne. Nimmt man noch das Färben dazu, sind die kreativen Möglichkeiten fast unbegrenzt. Angora ist unvergleichlich weich und warm, genau das Richtige für kalte Tage. Die Herstellung einer Jacke benötigt rund vierhundert Gramm Angorawolle; eine erfahrene Spinnerin arbeitet dreissig Stunden, um das Garn dafür herzustellen. Das Stricken braucht noch mehr Zeit. So stecken im fertigen Strickstück unzählige Stunden kreativen Schaffens, zusammen mit all den guten Gedanken während seiner Herstellung und der Fürsorge, mit der die Kaninchen Tag für Tag betreut wurden. Welch ein Unterschied zu Kleidungsstücken, die in Billiglohnländern in Massen produziert werden!
Wolle ernten
Satinangora Kaninchen besitzen wie die französischen, bzw. Schweizer Angoras einen natürlichen Fellwechsel. In dieser Phase lösen sich die Haare in der Haut und die kostbaren Rohfasern können einfach abgepflückt, bzw. ausgekämmt werden. Oft ist darunter das neue Fell bereits sichtbar, manchmal entstehen auch ein paar kahle Stellen.
Jedes Haarfollikel (= haarproduzierendes Organ) hat seinen eigenen inneren Rhythmus mit abwechselnd aktiven, haarproduzierenden Phasen und Ruhephasen, in denen das Haar reift und ausfällt. Die Mutation zu Angorahaar bewirkt eine Verlängerung der aktiven Phase, wodurch das Haar länger wird. Durch das Pflücken werden die Haarfollikel synchronisiert, d.h. die Haare reifen alle gleichzeitig. Die Pflückwolle besteht so aus lauter ausgereiften Haaren und ist bei jeder Wollernte gleich zusammengesetzt. Gepflückt wird in der Ruhephase des Follikels.
Während des Pflückens sitzen die Tiere ohne Zwang ruhig auf dem Schoss und geniessen es, ihre Haarpracht loszuwerden und sich wieder einmal bis auf die Haut schlecken und beknabbern zu können. Man muss sich genügend Zeit dazu nehmen. Das Kaninchen soll das Pflücken als soziale Fellpflege erleben. Oft lecken sie einem die Hand oder das Bein im Gegenzug.
Als Hilfsmittel dienen Entfilzungskamm und Furminator, ein elektrischer Fellentwirrungkamm von Moser und eine gute Schere. Zudem braucht man einen Krallenschneider, da bei jeder Wollernte auch gleich die Krallen geschnitten werden.
Idealerweise ist das neue Vlies schon sichtbar wie beim Tier unten im Bild. Zur besseren Übersicht wurde das reife Vlies auf dem Rücken teilweise gepflückt. Schwarz: neu wachsende Haare; grau: alte Haare, die sich in der Haut bereits gelöst haben und problemlos gepflückt werden können.
Hier ist Satinjüngling Abrax bereits fertig und untersucht die Zimmerpflanzen auf deren kulinarischen Wert. Deutlich sieht man das tiefschwarze neue Vlies auf Rücken und Flanken. Die hellgrauen Stellen zeigen an, wo mit der Schere geschnitten wurde, weil das alte Haar noch nicht reif zum Pflücken war.
Satin Angora Standard (Übersetzung des ARBA Standards aus den USA)